Schinder (1808m), 15. Juni 2001

Bei herrlichem Wetter marschierten Iris und ich um 8 Uhr an dem kleinen Parkplatz unterhalb der Blauwand-Alm ab, vorbei an einigen dösigen Rindviechern. Kaum kommt man ums Eck, bietet sich einem schon der imposante Anblick der Nordseite des Schinders, die durch ihre Schroffheit an die Dolomiten erinnert - zumindest uns. Die Wanderung führt leicht ansteigend über Blauwand-Alm und Schlag-Alm, von dort aus durch den Wald, der zunehmend heller wird, und einige Lichtungen, die das Vorwärtskommen mit zunehmender Schönheit des Bergpanoramas belohnen; vor uns erhob sich der zerklüftete und vom Tor durchschnittene Gipfelgrat des Schinders - hinter uns lockten die Berge, die sich um den und hinter dem Spitzingsee gruppieren.Ein wunderbarer Weg, um sich einzulaufen.


von der Schlag-Alm Richtung Schinder

kurz vor dem Schinderkar

Nach ungefähr einer Stunde erreichten wir den Ausgang des Schinderkars. Von da an wurde der Weg bedeutend steiler. Zunächst arbeiteten wir uns durch Latschenfelder und Geröllspuren (ein Wort, das für uns im Fortgang der Tour eine neue Bedeutung erhalten sollte). Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Wegführung sich nicht groß mit Serpentinen aufhält. Die meiste Zeit geht es beinahe stangerlgrad nach oben - ein gutes Pflaster für Sturschädel. Und durch die ansteigende Temperatur - nach Verlassen des Waldes läuft man praktisch ständig in der prallen Sonne - kommt ein weiteres Lustmoment hinzu. Wunderbar war da ein etwa 50 Meter breites Schneefeld, das beim Überqueren eine angenehme Kälte abstrahlte.


im Kar durch die Latschen

Gleich hinter dem Schneefeld führte uns der Steig wieder hinauf zum Tor, ohne jegliche Traverse steigt er erbarmungslos hinan, verlangt Disziplin und Stockeinsatz, während das Panorama auf den Rothkogel und die in der Sonne leuchtenden Spitzingsee-Gipfel zu häufigen Pausen verleitet.

Schließlich gelangt man zum Ausgang des Schindertores, einer Stelle, an der ein vernünftiger Mensch eine links vom Weg gelegene Geröllrinne queren würde. Dummerweise verpassten wir die ideale Stelle und sahen uns plötzlich genötigt, immer höher zu klettern, weil wir einfach keine Gelegenheit fanden, die Geröllrinne gefahrlos zu queren; die Steine darin sind derart locker, dass jeder Probetritt hinein sofort eine kleine Steinlawine auslöst.

Es war sehr ärgerlich, in etwa 5 Metern Entfernung einen sicheren Pfad zu sehen, und von anderen Wanderern, die man einmal weit unter sich bemerkt hatte, im lockeren Wanderschritt überholt zu werden, ohne zu wissen, wie man diesen Pfad erreichen soll. Die an sich harmlose Kraxelei wurde allmählich unangenehm, weil einerseits auch hier das Gestein recht bröckelig war und viele Griffe einfach wegbrachen und wir andererseits auch nicht wussten, ob und wie wir oben raus kommen würden...


Blick zurück vom Schinderloch

Jedenfalls haben wir uns dabei einige Stirnfalten eingehandelt und eine Menge Zeit verloren. Schätzungsweise 70 Meter oberhalb der Stelle, an der wir idealerweise über das Geröll hätten hinweggehen können, wurde die Rinne ziemlich schmal und etwas flacher. Mehr oder weniger auf allen Vieren querten wir dort und hatten endlich wieder festen und damit sicheren Boden unter unseren Stiefeln. Von da aus waren es nur noch ein paar Meter zum sogenannten "Loch", ein beeindruckender Durchstieg, der von unten aussieht wie ein Fenster in den Himmel. Die Stelle ist sehr gut mit Seilen unterschiedlichsten Alters gesichert. In der ersten senkrechten Felsstufe sind Kerben in die Wand geschlagen und Eisenstangen angebracht, die den Aufstieg, der ansonsten auf Grund der Nässe nicht unproblematisch sein dürfte, einfach machen.


Ich steige durchs Schinderloch

Über seilgesicherte steile Passagen geht es dann weiter hinauf in den Sattel zwischen dem österreichischen und dem bayrischen Schinder-Gipfel, das eigentliche Tor, wo uns ein beeindruckendes Alpenpanorama erwartete.


Blick auf die Halserspitz

Blick auf den Guffert

Während Iris gerne beide Gipfel gegangen wäre (beim Aufstieg ächzt sie jedesmal, aber dann ist sie unersättlich!), reichte mir für heute einer, weil wir bei der unfreiwilligen Kraxelei bereits unnötig viel Zeit verloren hatten. Wir nahmen uns also den österreichischen Gipfel vor, da er einerseits der höhere (1808m) ist und außerdem von ihm aus der Weg über die Trausnitz-Alm in die Valepp hinunter führt.


Auf dem Gipfelgrat

Nach Überwindung weiterer Kletterpassagen, bei denen mir persönlich die angebrachten Seilsicherungen für den Aufstieg eher störend denn hilfreich erschienen, weil sie in einer ungünstigen Kletterlinie angebracht sind, erreichten wir den Grat, auf dem wir durch einen Latschenweg schließlich um halb zwölf am Gipfel anlangten, wo uns wiederum ein überwältigender Ausblick erwartete.


Am Gipfel angekommen

Iris am Österreichischen und vor dem bayrischen Schinder

Nach ausgiebiger Rast stiegen wir über die Trausnitz-Alm wieder ab, ein leichter, sehr schöner Steig, der uns zeitweise durch ein wahres Meer von Blumen führte. Die Trausnitz-Alm fanden wir leider nicht bewirtschaftet vor, und gemeinsam mit anderen Wanderern beklagten wir, dass aus der Wasserrinne an der Hütte kein Radler sprudelt.


Am Trausnitzeck mit Blick zum Gipfel

Blick von der Trausnitz-Alm

Über einen langgezogenen Weg, der uns u.a. zwei Sturzbäche überqueren ließ, erreichten wir schließlich wieder die Mautstraße, wo wir im Bach erst einmal unsere Füße kühlten. Welch eine Wohltat!


In der Valepp I

In der Valepp II

Um 15.00 hatten wir schließlich wieder unser Auto erreicht. Doch ehe wir ins Quartier zurückkehrten, holten wir im Forsthaus in der Valepp nach, was wir an der Trausnitz-Alm versäumt hatten; es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte mir bereits dort einen wohlverdienten Schweinebraten mit Dunkelbiersoße gegönnt.

Fazit: Eine der schönsten Touren, die ich je gegangen bin!

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