Kleiner Traithen, 16. Juni 2001

Nachdem es morgens geregnet hatte, waren wir mittags nach Holzkirchen gefahren, um einen Besuch abzustatten. Dort besserte sich das Wetter zusehends, und die Sonne kam heraus, sogar die Berge lachten wieder herüber. Schließlich entschieden sich Iris und ich, die Gelegenheit zu nutzen und eine kleine Tour zu machen, und brachen in Richtung Bayrischzell auf, unser Ziel war der Traithen.

Um 15.35 Uhr marschierten wir am Oberen Sudelfeld los; es war zwar ein wenig wolkenverhangen, aber das Wetter schien zunächst zu halten.

Nach ca. 20 Minuten hatten wir den Vogelsang erreicht. In der Ferne hörten wir leises Donnergrollen. Das hätte eigentlich das Signal zur Umkehr sein müssen. Wir blieben etwa 10 Minuten am Vogelsang und überlegten hin und her, ob wir weitergehen sollen oder nicht. Schließlich beschlossen wir, es wenigstens mit dem Kleinen Traithen zu versuchen.

Die schöne, teilweise klettrige Strecke war eine Freude, wenngleich der Fels stellenweise feucht und somit etwas glitschig war, was in uns beiden die Überzeugung reifen ließ, den Rückweg eher über den Stopselzieher zu nehmen, selbst wenn das bedeuten würde, dass wir nicht ganz sauber bleiben würden.

Kurz bevor wir den Gipfel erreichten, kam sogar die Sonne heraus, und wir waren bester Stimmung.

16.55: Ankunft am Gipfel. Wir schossen schnell ein einziges Foto, dann drängte ich auf raschen Abstieg, da die Bewölkung wieder zunahm, und ich hoffte, wir könnten das Auto noch trockenen Fußes erreichen, wenn wir uns beeilten. Es sah nicht so aus, als ob ein Unwetter unmittelbar bevorstehen würde. Welch ein Irrtum!

Mit schnellen Schritten marschierten wir in Richtung Fell-Alm hinunter, und kaum hatten wir das Latschenfeld verlassen, als wir sehen mussten, wie dicke Wolken in unglaublichem Tempo den Nordhang hochschossen. Zugleich fing es richtig an zu schütten. Es fiel schwer, sich zu orientieren. Als es dann auch noch ordentlich donnerte, waren wir schon sehr beunruhigt und machten uns rasch auf den Weg hinunter zur Almhütte, wo uns die Bewohner freundlich aufnahmen. Zum Glück war überhaupt jemand da, denn die Alm war noch gar nicht bewirtschaftet. Die beiden Leute waren nur da, weil sie die Hütte für den Auftrieb in einer Woche herrichteten. Glück gehabt!

Denn kaum waren wir drin, als es anfing, massiv zu hageln, so dass es nach wenigen Minuten draußen richtig weiß war.

Bald schien sich das Wetter allerdings wieder zu bessern. Etwa nach einer halben Stunde brachen wir wieder auf, weil es nur noch ein bisschen nieselte.

Wir waren jedoch keine hundert Meter von der Fellalm entfernt, als es wieder anfing zu stürmen und wir neuerlich Donner vernahmen, was uns den Schrecken in die Glieder fahren ließ. So schnell es ging, liefen wir am Grat den Zaun entlang, weil wir wussten, dass irgendwo das Drehkreuz sein musste, wo es über den Grat geht, hinab zur Rosengasse und zum Stopselzieher, einem steilen, in kurzen Serpentinen einem Bachbett folgenden Steig, der in einem zum Oberen Sudelfeld führenden Pfad mündet. Wir hatten Sorge die Stelle zu verpassen, wenn wir weiter auf dem Weg bleiben, weil bei dem Sauwetter die Sicht sehr schlecht war.

Endlich hatten wir das Drehkreuz erreicht (Ich rannte vor Freude gleich in den Stacheldraht), schon wenige Meter unterhalb waren wir dem Sturm nicht mehr so ausgesetzt, und die Sicht war wieder besser. Auf diesem sumpfigen Weg ist das sehr wichtig. Der Matsch störte uns nicht weiter, dem Sturm weitgehend entkommen, fühlten wir uns schon wieder recht sicher.

Kurz bevor wir den Stopselzieher erreicht hatten, leuchtete jedoch plötzlich vor uns ein greller Blitz auf. Es war uns beiden sofort klar, dass der nicht weit weg gewesen war. Keine Sekunde später folgte ein peitschender Donnerschlag, der mich sofort in die Hocke gehen ließ. Das Herz rutschte uns ordentlich in die Hose, der richtige Moment, um katholisch zu werden! Ich lief los, um rasch im Abstieg durch den Stopselzieher nach unten zu kommen - ohne Rücksicht auf Wasser und Schlamm. Einen Augenblick lang überlegte ich sogar, die Wanderstöcke wegzuwerfen, da diese ja aus Metall sind. Iris hatte - wie sie später erzählte - den gleichen Gedanken.

In "Fluchtgeschwindigkeit" jagten wir den Stopselzieher nach unten. Iris stürzte dabei dreimal und schlug sich beim letzten mal ordentlich den Ellbogen an. Ich kam mit einem kleinen Absitzer davon. Es ist erstaunlich, wie schnell man den Stopselzieher hinunter kommt, wenn man ausreichend motiviert ist und gar nicht erst versucht, mit sauberen Klamotten unten anzukommen...

Schließlich nahmen wir in möglichst raschem Tempo den Weg entlang der Wand und nach einiger Zeit zeigte sich über der links unter uns liegenden Rosengasse ein Regenbogen, der uns anzeigte, dass das Übelste wohl vorbei war.

Um 18.40 Uhr erreichten wir völlig verdreckt und nass bis auf die Haut wieder das Auto.

Fazit: Vernehmlicher Donner ist eindeutiges Signal zur Umkehr!

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