22.7.2002: 11 Stunden auf und ab

Vogelsang (1563m)
Kleiner Traithen (1723 m)
Großer Traithen (1854 m)
Unterberger Joch (1829 m)
Steilner Joch (1748 m)
Brünnstein (1634 m)

Die Idee für diese Tour stammt bereits aus dem Jahr 1984, als ich mit Iris erstmals auf dem Großen Traithen stand. Damals dachten wir schon darüber nach, dass es bestimmt toll wäre, jetzt noch über den Grat hinüber zum Steilner Joch zu gehen und dann weiter zu ziehen zum Brünnstein. Jetzt endlich, 18 Jahre danach, packten wir die Tour tatsächlich an.
Es war schon Viertel nach zehn, als wir an der Waller Alm am Oberen Sudelfeld losmarschierten. Die Wolken hingen tief, aber das Orakel von Meteosat hatte Besserung im Laufe des Tages prophezeit und es sollte Recht behalten. Die paar Meter hinauf zum Vogelsang waren schnell erledigt, auch wenn uns die neu angelegte LKW-taugliche Trasse ziemlich genervt hatte.


Vogelsang, der erste Gipfel

Normalerweise würde ich den Vogelsang auch nicht als eigenen Gipfel aufführen, aber bei der heutigen Tour will ich es der Vollständigkeit halber tun. Danach ging es wieder ein Stück bergab, ehe wir uns an den Aufstieg zum Kleinen Traithen machten, ein kurzweiliger Anstieg, da er einige seilgesicherte Passagen enthält, bei denen man die Hände dringend benötigt. Dennoch war auch der zweite Gipfel nach gut einer Stunde erreicht.


Jägerwand vor Steiner Joch

Ich steh am kleinen Traithen

Mein Problem lag darin, dass ich immer noch gesundheitliche Schwierigkeiten hatte und insbesondere auf Grund meiner Schluckbeschwerden nur sehr schlecht essen und trinken konnte. Daher war es für mich schwer, die nötige Flüssigkeit aufzunehmen, was ich noch deutlich zu spüren bekommen sollte. Wir stiegen nach einem kurzen Eintrag ins Gipfelbuch hinunter zur Fellalm, die uns im letzten Jahr schon einmal Unterkunft gewährt hatte, als wir in ein Unwetter geraten waren.


Die gute Fellalm

Großer Traithen verhüllt sich

Ganz im Gegensatz dazu besserte sich das Wetter jetzt und immer häufiger kam die Sonne heraus. Zu diesem Zeitpunkt fühlte ich mich noch hervorragend und der Weg hinauf zum Großen Traithen machte mir erwartungsgemäß keinerlei Mühe.


Alles blüht und lebt

Hinauf zum Großen Traithen

Felsberührung

Oben war es reichlich zugig und es war nicht leicht, einen einigermaßen windgeschützten Platz zu finden. Ein Anorak wäre halt sehr hilfreich gewesen ...
Iris kam einige Zeit nach mir auf den Gipfel, und konnte dann ebenfalls die herrliche Aussicht genießen.


Iris auf dem Großen Traithen

Ich hatte die Zeit genutzt, um wenigstens ein bisschen Wasser in mich hineinzufüllen. Wie gerne hätte ich einfach eine Flasche in mich reinlaufen lassen, aber jeder einzelne Schluck kostete Überwindung und tat richtig weh. Jetzt aber lockten die weiteren Ziele, zunächst die Gratwanderung über Unterberger Joch zum Steilner Joch und dann in einiger Entfernung der Brünnstein.


Steilner Joch und Brünnstein

Der Große Traithen liegt hinter uns

Der kalte Wind machte es uns leicht, recht bald den Weg fortzusetzen. Die Wanderung über den Grat ist einfach, aber sehr lohnenswert.


Grat Richtung Steilner Joch

Blick auf die beiden Traithen

Der Gipfel des Unterberger Joch ist rasch erreicht. Ihn ziert kein eigenes Gipfelkreuz, und wir machten an dieser Stelle auch keinen Halt, sondern zogen am Grat zum nächsten Gipfel, dem Steilner Joch, wo wir uns kurz niedersetzen, um einmal mehr den Ausblick zu genießen. Wir waren gespannt, wie sich der Weg fortsetzen würde, denn in der Karte war er nur noch als gepunktete Linie eingezeichnet. Iris hätte beinahe den falschen Weg genommen, der in Richtung Rosengasse geführt hätte. Dies wäre die kleine Runde gewesen, die wir als sehr empfehlenswert bezeichnen könnten, aber wir waren an diesem Tag noch weit davon entfernt, uns wieder auf den Rückweg zu machen. Der Pfad, der hinter dem Gipfel rechts hinunter führt ist der richtige für all diejeinigen, die vom Steilner Joch aus noch weiter zum Brünnstein gehen wollen.


Das nächste Ziel im Rücken

Ein Steinmandl weist den Weg

Es ging einigermaßen steil, aber alles in allem unschwierig hinunter. Der teilweise nur sehr wenig ausgetretene Pfad lässt erkennen, dass hier nicht sehr viele Wanderer unterwegs sind, dabei ist die Strecke wunderschön. Offensichtlich finden das auch die Ameisen, denn es reiht sich wirklich ein Ameisenhaufen an den anderen.


Ein wunderschöner Weg

Der Brünnstein rückt näher

Der Weg zog sich dann ganz nett hin und als wir endlich die Himmelmoos-Alm am Fuße des Brünnsteins erreicht hatten, waren wir doch schon ein wenig müde. Gott sei Dank war uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, das wir weder die Hälfte der Marschzeit des heutigen Tages noch ganz die Hälfte der zu bewältigenden Höhenmeter hinter uns gebracht hatten.


Ein Blick zurück

Vor uns der Wilde Kaiser

Wie verlockend war doch die Aussicht auf ein kühles Bier am Brünnsteinhaus! Allerdings wusste ich, dass mir mit meinen Halsschmerzen das Bier sowieso nicht schmecken würde und außerdem war uns beiden klar, dass Bier jetzt Gift für unsere Wandermoral wäre. Also ließen wir das Brünnsteinhaus Brünnsteinhaus sein (schluchz!) und nahmen ohne Zwischenstopp den Dr.-Julius-Mayr-Weg in Angriff. Dabei handelt es sich um einen leichten Klettersteig, den wir mit Sicherheit sehr genossen hätten, wenn wir nicht doch schon einigermaßen schlapp gewesen wären. Immer wieder bietet der Weg herrliche Ausblicke auf das Kaisergebirge.


Einstieg in den Dr.-Julius-Mayr-Weg

Kaiserblick

Der über Leitern und sonstige Kletterpassagen und natürlich durch den berühmten Felsspalt führende Weg brachte uns schließlich, 6 1/2 h nach dem Abmarsch, auf den Gipfel des Brünnsteins.


Kleine Kraxelei

Der Weg in den Felsspalt ...

... und wieder hinaus

Unser 6. und letzter Gipfel dieses Tages war erreicht, noch lange aber nicht das Ende unserer Tour. Gerne wären wir eine längere Zeit auf dem Gipfel geblieben, sowohl um uns auszuruhen als auch um die wunderbare Sicht zu genießen.


Auf dem Brünnstein

Gipfelkreuz vor Wendelstein

Aber es war schon Viertel vor fünf und wir befanden uns an dem Punkt unserer Wanderung, der am weitesten vom Start- und Zielpunkt entfernt lag. Also gab es auch am letzten Gipfel keine nennenswerte Rast, sondern nur den raschen Aufbruch zum Abstieg hinunter zur Himmelmoos-Alm.


Die ganze Tour breitet sich vor uns aus

... und noch einmal

Dort begegneten wir einen alten Sennerin, der wir erzählten, was wir schon hinter und was wir noch vor uns hatten. Sie bewunderte unsere Leistung, wahrscheinlich hat sie uns aber für bescheuert gehalten, womit sie vermutlich nicht ganz unrecht hatte, denn die noch vor uns liegende Wegstrecke erwies sich als echter Härtetest. Zwar wussten wir, dass wir wieder bis hinauf zur Fellalm mussten, die knapp 400 m höher liegt als die Himmelmoos-Alm, aber wir hatten es uns weniger mühsam vorgestellt. Nicht weil es zunächst hinter der Himmelmoos-Alm ein Stückchen bergauf geht, eher schon, weil man anschließend wieder mindestens genauso weit bergab muss, was den Höhengewinn sofort zunichte macht.


Noch ein Gruß vom Brünnstein

Ein kurzes, flaches Wegstück

Vor allem das bergauf-bergab war es, das uns - und vor allem mir - ganz gehörig den Zahn zog. Zunächst aber wurden wir belohnt von der Seeon-Alm, die derart malerisch und idyllisch mit ihrem kleinen See, mit den friedlich grasenden Rindviechern und dem gemütlich schmauchenden Kamin am Fuße des Steilner Jochs liegt, dass man meinen könnte, man sei in einen kitschigen Heimatroman geraten.


Seeon-Alm I

Seeon-Alm II

Alleine der hinter dem Haus parkende Jeep und das daneben lehnende Motorrad zeigen einem an, dass es sich um einen realen Ort handelt. Es ist ein herrlicher Platz, um sich ein wenig niederzulassen und auszuruhen. Ich hätte das nicht tun sollen, denn es kostete erhebliche Überwindung nach ein paar Minuten wieder aufzustehen und weiterzugehen. Von jetzt an kostete allerdings alles Überwindung. Schier endlos zog sich der Weg einen weiten Hang hinauf, einem Bergkamm entgegen, den wir schon von weitem hatten ausmachen können. Nach einer halben Ewigkeit kamen wir endlich oben an und der Anblick, der sich mir dann bot, war nicht weniger als niederschmetternd. Normalerweise würde ich von dem Ausblick schwärmen. Links baut sich der Grat vom Steilner Joch auf, der hinauf führt zum Großen Traithen. Weit unter uns lag die alte Fellalm und uns gegenüber - in weiter Entfernung - lag die Passhöhe auf der die neue Fellalm liegt. Da hinauf, dort drüben in weiter Entfernung, da mussten wir also noch hin, ehe es über den Stopselzieher hinunter und dann am Kleinen Traithen entlang zurück zur Waller Alm gehen würde.


Der Weg zurück durchs Tal

Eine deprimierende Aussicht, nicht zuletzt deshalb, weil wir ja zuerst wieder rund 150 Höhenmeter absteigen mussten, ehe wir uns an den letzten Anstieg des Tages machen konnten. Ich gebe es unumwunden zu: Mittlerweile waren wir ca. 8 ½ h unterwegs, ich hatte viel zu wenig getrunken, hatte kaum etwas gegessen, ich kam echt auf dem Zahnfleisch daher. Iris war etwas besser drauf als ich. Ich bat sie, mich vorgehen zu lassen, weil es mir echt den Rest gegeben hätte, sie auch noch davonziehen zu sehen. Danach kam ich allerdings erstaunlich gut vorwärts. Nicht dass wir schnell gewesen wären, aber irgendwie stiegen meine Beine ziemlich mechanisch vorwärts. um den Spaß zu erhöhen, wurde das Gelände nun zunehmend nass, glitschig und batzig. Während Iris darüber schimpfte, dass die Kühe alles niedergetrampelt und die Wege daher fast unpassierbar gemacht hätten, hielt ich ihr entgegen, dass die Kühe schließlich hier wohnen würden und wir quasi nur ihre Gäste wären. Mit solchen und ähnlich lauen Witzen hielten wir uns einigermaßen bei Laune.


Langsam wird es dunkel

Obwohl der Hang hinauf zur Fellalm schier kein Ende nehmen wollte, nahm er schließlich doch eins. Endlich waren wir oben und konnten hinüber queren in Richtung Stopselzieher. Wir kamen auch wieder an der Stelle vorbei, wo uns der Blitz im letzten Jahr den Schneid abgekauft hatte. Schlamm- und Wasserpfützen sorgten dafür, dass Hose und Schuhe vollends verdreckten, ehe wir uns an den steilen Weg über den Stopselzieher hinunter machen konnten. Fraglos ist dieser Abstieg für sich gesehen schon ein erwähnenswerter Programmpunkt. Nach so vielen Stunden unterwegs erforderte er unsere ganz besondere Aufmerksamkeit. Tatsächlich überwanden wir ihn beide ohne einen einzigen Absitzer. Der Weg an der Wand entlang, der noch über manches Geröllfeld und Bächlein führt, war eigentlich nur noch eine Fleißaufgabe. Wir mussten uns beeilen, denn langsam wurde es immer dunkler. Endlich, um zehn Minuten nach neun Uhr, also fast genau elf Stunden nach unserem Abmarsch standen wir wieder an unserem Auto. Glücklich und zufrieden fielen wir uns in die Arme. Die Tour war geschafft, der Traum war Wirklichkeit geworden.

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